„Die Lust auf Körperlichkeit hört nie auf“

Barbara_Zuschnig_Portrait_Foto_DavidPayrDie Wiener Sexualberaterin Barbara Zuschnig erklärt, dass Sex auch in den Wechseljahren erfüllend sein kann – wenn die Kommunikation mit dem Partner stimmt.
INTERVIEW Iris Soltau

Gibt es viele Paare,deren Sexualleben unterden Wechseljahren der Frau leidet?
Nicht die Wechseljahre sind das Problem, sondern das, was daraus erfolgt – die Lustlosigkeit. In der Regel ist es ja so: die Frau ist um die 50 und schon lange mit ihrem Partner zusammen. Die Kinder verlassen das Haus, der Mann geht vielleicht in Pension. Da passieren einfach gerade eine Menge Umbrüche im Leben. Beim Thema Sexualität und Lust geht es vor allem um Identität: Wer bin ich? Wie lustvoll bin ich? Und plötzlich kommt die Frau an einen Punkt, an dem sie ihre Identität in Frage stellt. Bin ich noch als Mutter gefragt? Ist mein Mann noch der Richtige für mich? Will ich vielleicht den Job wechseln? Das alles hat Auswirkungen auf ihre Sexualität, nicht nur der Wechsel, der ja ein normaler biologischer Vorgang ist. Und die Kommunikation ist meistens auch ein Problem.

Warum? Die wenigsten Paare haben gelernt, über Sexualität zu reden und ihre Wünsche klar zu formulieren. Weibliche und männliche Sexualität sind unterschiedlich. Frauen wollen gesehen werden und spüren: Ich bin es, die du meinst. Sie brauchen ein emotionales Vorspiel, wollen verführt werden, spielen, reden. Dann beginnt ihr Interesse an Sex. Wenn Paare das über die Jahre nicht gelernt haben, nutzen Frauen den Wechsel gerne als Exit. Der Sex wurde jahrelang als unbefriedigend empfunden, dann ist das jetzt eine Möglichkeit zu sagen: Okay, das war’s, ich gehe.

Können Paare nachzwanzig oder dreißig Jahren noch lernen, anders miteinander umzugehen? Es ist neurowissenschaftlich erwiesen, dass der Körper immer wieder lernen und das Gehirn neue Erfahrungen aufnehmen kann. Allerdings ist es so, dass sich bei Paaren in einer langen Beziehung ganz tiefe Muster eingefahren haben. Wer jetzt denkt: ‚Ich gehe zweimal in die Beratung, dann läuft’s wieder‘, liegt falsch. Ja, theoretisch kann man Verhalten ändern, aber das braucht seine Zeit.

Verschwindet die Lust im Alter? Natürlich wird der Sex im Alter weniger, aber die Lust selber, die geht nicht weg. Es gibt eine Studie, die Begehren und Erregung im Alter untersucht hat. Das Ergebnis: die Lust hängt nicht vom Alter der beteiligten Personen ab, sondern von der Länge der Beziehung. Das heißt, Paare zwischen 60 und 65, die sich neu verlieben, haben mehr Sex als junge Paare, die schon seit zehn Jahren in einer Beziehung stecken. Die Sexualität und die Lust auf Körperlichkeit, die hört nicht auf.

Was ist dran an dem Klischee, dass Männer ständig wollen und Frauen immer Migräne haben? Es schaut nur so aus, als ob Männer lustvoller wären als Frauen. Tatsächlich haben Frauen sehr viel Lust, aber sie müssen das Selbstbewusstsein haben, um sie auszuleben. Und das wird im Alter immer besser, weil die Frauen irgendwann ein ‚Mir-doch-egal‘-
Stadium erreichen und nicht mehr darüber nachdenken, ob der Busen nun schlaff ist. Wenn sie sich nicht mehr darum kümmern, was andere über sie denken, dann kommen sie an den Punkt, an dem die Sexualität am lustvollsten ist.

FOTO: DAVID PAYR

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