Bittere Pille

Wann hilft ein Hormonersatz, wann helfen pflanzliche Arzneimittel – und wie lassen sich der Nutzen möglichst hoch und die Risiken gering halten? Zwei Expertinnen über den aktuellen Stand der Forschung.

Für manche Frauen sind die Wechseljahre ein Spaziergang. Andere wiederum plagen lästige Begleiterscheinungen wie eine trockene Vagina, Hitzewallungen, Schweißausbrüche, Depressivität und Erschöpfung, anhaltende Schlafstörungen … ­– die Liste der Beschwerden, die durch das Absinken des körpereigenen Östrogenspiegels auftauchen, ist lang. Dass sich die Symptome lindern lassen, darin sind sich die  beiden deutschen Frauenärztinnen Dr. med. Katrin Schaudig und Dr. med. May Ziller einig. Ob sich dafür eine Thearpie mit natürlichem
Östrogen ­– und somit eine ursächliche Behandlungsart – anbietet oder pflanzliche Arzneimittel (und somit symptomatisch gearbeitet wird) zur Anwendung kommen sollten, darüber diskutierten die Fachfrauen heuer im Rahmen des größten jährlichen frauenärztlichen Fortbildungskongresses FOKO in Düsseldorf.

Dr. May Ziller über die Behandlung mit pflanzlichen Arzneimitteln

dr Ziller May
Pflanzliche Arzneimittel können vor allem dort sinnvoll sein, wo eine Hormon-beziehungsweise speziell eine Östrogengabe nicht gewünscht ist oder vermieden werden soll. Das ist vor allem bei Frauen der Fall, die an einer Krebserkrankung gelitten haben,
dessen Wachstum durch Östrogene gefördert wird. Außerdem gibt es viele Frauen, die einer pflanzlichen Medizin mehr vertrauen als dem hormonellen Ausgleich, sodass es sich in diesem Fall lohnen kann, eine pflanzliche Therapie zumindest für eine Zeit lang auszuprobieren.

Neue Studie zeigt Wirksamkeit auf
Cimicifuga, die Wurzel der Traubensilberkerze, ist wirkungsvoll bei leichten Hitzewallungen, was auch die demnächst erwartete neue S3-Leitlinie „Peri- und Postmenopause – Diagnostik und Interventionen“ der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe bestätigt.
Stehen depressive Verstimmungen im Vordergrund, ist Johanniskraut angezeigt. Geht es um unregelmäßige Blutungen, kann Mönchspfeffer eine Besserung bringen.

Pflanzen mit Einfluss
Interessante Ansätze bieten auch Pflanzen, die Östrogenrezeptoren im Körper beeinflussen,
ohne selbst Hormone zu sein, wie etwa Rotklee, Soja oder Sibirischer Rhabarber. Für alle diese pflanzlichen Arzneimittel haben sich in Studien Hinweise darauf ergeben, dass sie Hitzewallungen und Schweißausbrüche reduzieren können. Was die Anwendung dieser pflanzlichen Arzneimittel bei Frauen mit Brustkrebs angeht, werden unterschiedliche Ansichten vertreten. Es gibt einerseits keine großen Studien, die die Unbedenklichkeit definitiv bewiesen haben, auch wenn die Datenlage vor allem aus dem asiatischen Raum diesen Schluss nahelegt, aber auch keine ausreichenden Studien, die ein erhöhtes Risiko für diese Frauen ergeben hätten. Zum aktuellen Stand gilt die Empfehlung, das mögliche
Risiko im Einzelfall mit der Frauenärztin oder dem Frauenarzt zu besprechen.

Arzneimittel nur aus der Apotheke
Nur zugelassene Arzneimittel unterliegen den strengen Richtlinien. Nur hier kann die Frau sich darauf verlassen, dass auch wirklich die richtigen Wirkstoffe in ausreichender Konzentration enthalten sind, dass ihre Herstellung und Qualität geprüft wurden. Die Präparate, die beim Drogerie-Discounter, im Reformhaus und in Bioläden erhältlich sind, enthalten beim genauen Hinsehen meist die Bezeichnung „Nahrungs-ergänzungsmittel“ oder auch „Medizinprodukt“. Das bedeutet, dass sie keine Arzneimittel sind und gar nicht arzneilich wirken dürfen.

Dr. Katrin Schaudig über die Hormonersatztherapie

Dr Katrin Schaudig.
Ein Thromboserisiko lässt sich sehr leicht umgehen, indem das Östrogen nicht als Tablette geschluckt wird. Denn nur dann, wenn das Östrogen aus dem Darm aufgenommen und durch die Leber geschleust wird, werden dort die Gerinnungsfaktoren aktiviert. Bei vorgeschädigten Gefäßen steigt das allgemeine Risiko für Thrombosen, Lungenembolien und Schlaganfall. Wird das Hormon dagegen aus einem Pflaster, Gel oder Spray über die Haut aufgenommen, bleibt dieser Effekt aus.

Brustkrebsrisiko
Die Furcht vor einer Brustkrebserkrankung stellt für viele Frauen eine große Hürde vor dem Einsatz einer Hormonersatztherapie dar. Dieses Risiko ist aber deutlich kleiner, als es in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. In den ersten ein bis zwei Jahren einer Hormongabe kann man das Risiko ohnehin vernachlässigen – es liege bei weniger als 1 pro 1.000 Frauen pro Jahr der Hormonbehandlung. Erst nach über fünfjähriger Behandlungsdauer mit einer Östrogen-Gestagen-Kombination wird ein erhöhtes Risiko für eine Brustkrebsdia­gnose statistisch greifbar.

Rückgang des Krebsrisikos
Die Beeinflussung des Brustkrebsrisikos durch eine Hormongabe ist von vielen Faktoren abhängig: Die alleinige Gabe eines Östrogens geht nur mit einem minimalen oder gar keinem Risiko einher, manche Studien zeigten sogar eine Reduktion des Risikos, vor allem wenn die Frau übergewichtig ist.

Kombinationstherapie
Frauen, die noch ihre Gebärmutter haben, müssen zusätzlich zum Östrogen ein Gelbkörperhormon (= Gestagen) anwenden, da ansonsten das Risiko für einen Krebs der Gebärmutterkörperschleimhaut besteht. Bei der Kombinationstherapie geht man aktuell von zwei bis drei zusätzlichen Brustkrebsfällen pro 1.000 Frauen bei einer über fünfjährigen
Ersatzbehandlung aus. Einiges spricht dafür, dass die Auswahl des Gestagens von Bedeutung für das Brustkrebsrisiko ist, sodass man die Risikoerhöhung hierdurch möglicherweise
abschwächen kann. In jedem Fall ist es sinnvoll, vor Beginn einer Hormonersatztherapie die Brust zu untersuchen (Tastbefund, Mammografie und Ultraschalluntersuchung) und diese Untersuchungen unter laufender Behandlung regelmäßig durchzuführen.

Zusätzliche positive Auswirkungen
Die Hormonersatztherapie bringt bei Frauen, die unter  Wechseljahressymptomen leiden, nicht nur eine Verbesserung ihrer Lebensqualität. Weithin unterschätzt werden die positiven Auswirkungen eines Hormonersatzes auf eine Reihe von Organsystemen. Der Schutz vor Osteoporose,  Diabetes und Darmkrebs wird bei der Bewertung einer Hormonersatztherapie immer wieder unterschlagen. Auch spricht viel dafür, dass ein frühzeitiger Beginn der Therapie einen Schutz vor Herzerkrankungen und möglicherweise auch vor Demenz darstellt. Bei den Frauen, die die Hormonersatzbehandlung zwischen 50 und 60 Jahren beginnen, gab es signifikant weniger Todesfälle als bei unbehandelten Frauen – das haben die Langzeitauswertungen der großen WHI-Studie ergeben.

Quelle: Highlights vom Fortbildungskongress 2019 der Frauenärztlichen Bundesakademie Deutschland (© FOKO 2019)

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