Ernährungswissen bei Diabetes 2 hilft

55

Bei Lebensstiländerung und unter Einsatz neuer Therapiemöglichkeiten kann mit der Volkskrankheit, von der in Österreich ca. 800.000 Menschen betroffen sind, besser umgegangen werden.

In Österreich leben etwa 600.000 diagnostizierte Diabetikerinnen und Diabetiker. Geschätzte 143.000 bis 215.000 Personen sind erkrankt, aber noch nicht diagnostiziert. Jährlich kommen hierzulande ca. 40.000 Neuerkrankungen hinzu.  Sprechen wir über Typ-2-Diabetes, sprechen wir über eine Volkskrankheit.
Univ.-Prof. Dr. Thomas Pieber, Leiter der Klinischen Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel an der MedUni Graz, sagt: „Die State-of-the-Art-Behandlung des Typ-2-Diabetes beginnt in der Primärprävention.“ Eine familiäre Belastung muss ins Kalkül gezogen werden – Hauptrisikofaktoren eines Typ-2-Diabetes sind aber die „Lebensstilfaktoren Ernährung und Bewegung“. Liegen weitere Risikofaktoren (siehe Kasten 1) vor, verschlechtert sich die Insulinwirkung „langsam aber schleichend“ – es kommt sogar zu einem Insulinmangel, der zu einem Typ-2-Diabetes führt.
Für eine Diagnose des Typ-2-Diabetes wird der Nüchternblutzucker gemessen, im Zweifelsfall muss auch ein Glukosetoleranztest gemacht werden.

Abschätzung des Risikos
Vor jeder Behandlung steht noch das sogenannte Risikoassessment zur Feststellung, ob tatsächlich weitere Risikofaktoren vorliegen – dazu zählen etwa Bluthochdruck, erhöhte Blutfette und/oder Übergewicht; Rauchen zählt übrigens auch zu den Risikofaktoren.
Eine medikamentöse Behandlung entspricht freilich nicht der State-of-the-Art-Behandlung eines Typ-2-Diabetes, so Pieber: „Die beste Therapie ist Gewichtsreduktion, ausgewogene Ernährung und Bewegung – dreimal die Woche für mindestens 30 Minuten. Die Entstehung dieser Erkrankung kann so verhindert werden.“
Schaffen PatientInnen diese Lebensstilumstellung, „verschwindet“ die Erkrankung. Pieber: „Egal ob Sie das Fett weglassen, FDH betreiben oder eine Mahlzeit täglich ausfallen lassen: Die beste Methode ist die, mit der Sie gut leben und Gewicht reduzieren können.“

Blutzuckersenkung ist zu wenig
Gelingt eine Lebensstiländerung nicht, ist eine medikamentöse Therapie vonnöten – die Insulinproduktion und die Stoffwechselvorgänge werden so erhalten: so gut und so lange wie möglich. „Es ist mittlerweile eine große Anzahl verschiedener Medikamente in Tablettenform auf dem Markt, die eine individuelle Therapieentscheidung für jeden Patienten möglich machen“, sagt Pieber. Erklärtes Ziel sind die wirksame Senkung sowie insgesamt die Kontrolle des Blutzuckers.
Alles entscheidend für eine wirksame Therapie ist die Blutzuckereinstellung. Die Österreichische Diabetes Gesellschaft propagiert einen HbA1c-Richtwert von unter 6,5 (siehe Kasten 2). Allerdings sollte bei jungen – sonst gesunden – DiabetikerInnen ein Wert von unter 6,5 jedenfalls erreicht werden, ältere Patienten (mit allenfalls zusätzlichen weiteren Erkrankungen) hingegen können auch mit einem Richtwert von 8 „gut leben“.
Pieber erklärt dazu: „Wenn der Blutzucker gut eingestellt ist, können Betroffene bei normaler Lebenserwartung sehr lange ohne die gefürchteten Spätkomplikationen leben.“
Kann eine ausreichende Blutzuckereinstellung mit Medikamenten in Tablettenform nicht erreicht werden, muss Insulin zugeführt werden – nur so kann der mit der Nahrung aufgenommene Zucker im Körper verarbeitet werden: „Auch hier liegt mittlerweile eine breite Palette an Insulinpräparaten vor, um jeden Betroffenen optimal versorgen zu können“, so Pieber.

Gesucht: Biomarker
WissenschaftlerInnen forschen rund um den Globus mit dem Ziel einer möglichst frühen und eindeutigen Diagnose der Erkrankung. Sie verwenden Biomarker im Blut, Pieber bedauert aber, dass „bisher allerdings noch kein Test entwickelt werden konnte, der klinische Anwendung finden kann.“ Auch bemühen sich die ForscherInnen um neuartige Medikamente, die bei der Gewichtsreduktion unterstützen. In den kommenden Jahren wird eine ganze Reihe von neuen Arzneimitteln auf den Markt kommen, prognostiziert der Stoffwechselexperte Pieber.

Gesucht: PatientInnen
Freilich: Richtungsweisende Forschungsfortschritte können nur dann erzielt werden, wenn möglichst viele Patientinnen und Patienten an Studien teilnehmen. Pieber: „Die jungen Typ-1-DiabetikerInnen rennen uns die Tür ein, bei den Typ-2-DiabetikerInnen ist das leider nicht so.“ Dabei müsste – möchte man an einer Studie für neue und sichere Medikamente teilnehmen – lediglich ein Diabeteszentrum aufgesucht werden. Nehmen Patientinnen und Patienten an einer wissenschaftlichen Studie teil, ermöglichen sie nicht nur Wissensgewinn für alle Betroffenen – sie erhalten auch neuartige Therapien, die auf dem Markt noch gar nicht erhältlich sind. Thomas Pieber spricht in diesem Fall von „einer echten State-of-the-Art-Therapie“.

Risikofaktoren für Diabetes mellitus Typ 2
veränderbar:
Rauchen
Bluthochdruck (Hypertonie)
erhöhte Blutfettwerte
(Hypercholesterinämie)
Übergewicht

nicht veränderbar:
höheres Lebensalter
genetische (erbliche)
Belastung
Schwangerschaftsdiabetes

Definition – Klassifikation – Diagnose*

Diabetes mellitus bezeichnet eine Gruppe von Stoffwechselerkrankungen, deren gemeinsamer Be- fund ein chronisch erhöhter Blutzuckerspiegel ist.
Die Klassifikation des Diabetes mellitus unterscheidet vier Typen (Typ-1-Diabetes, Typ-2-Diabetes, andere spezifische Diabetes-Formen, Gestationsdiabetes), wobei Typ-2-Diabetes die am weitesten verbreitete Diabetes-Erkrankung darstellt.
Diabetes wird anhand von Blutzuckermessungen (nüchtern oder nach Mahlzeiten), Zuckerbelas- tungstests oder der Bestimmung des „Zuckerlangzeitwerts“ Hämoglobin A1c diagnostiziert.

Ursachen und Risikofaktoren
Typ-1-Diabetes ist durch einen absoluten Insulinmangel gekennzeichnet. Er wird durch eine Auto- immunreaktion, durch Erkrankungen bzw. durch einen Verlust der Bauchspeicheldrüse verursacht.
Typ-2-Diabetes wird hingegen durch eine Kombination von Insulinresistenz (verminderter Insulinwir- kung) und Insulinsekretionsstörung (relativem Insulinmangel) verursacht. Als Hauptursachen des Typ- 2-Diabetes gelten Übergewicht und Adipositas, Bluthochdruck und erhöhte Blutfettwerte (metaboli- sches Syndrom) und damit auch hochkalorische, kohlenhydrat- oder fettreiche Ernährung sowie Mangel an Bewegung. Das sind Ursachen, die deutlich sozioökonomisch beeinflusst sind.
In der Schwangerschaft kann es bei Frauen, bedingt durch die hormonelle Umstellung, zu einer physi- ologischen Insulinresistenz kommen, die zu einem Gestationsdiabetes führt. Obwohl nach der Ent- bindung rund 90 Prozent der Mütter wieder eine normale Glukosetoleranz erreichen, haben diese Frauen eine siebenfach erhöhte Wahrscheinlichkeit, in ihrem späteren Leben an Typ-2-Diabetes zu erkranken.

* Quelle: Österreichischer Diabetesbericht 2017

Diese Webseite verwendet Cookies. Durch das Nutzen dieser Seite sind Sie mit der Verwendung von Cookies einverstanden. Datenschutzerklärung

The cookie settings on this website are set to "allow cookies" to give you the best browsing experience possible. If you continue to use this website without changing your cookie settings or you click "Accept" below then you are consenting to this.

Close