Wenn der Darm rebelliert

Das Reizdarmsyndrom betrifft immer mehr Menschen. Ein Überblick über die Erkrankung und ihre Therapien. Michaela Werthmüller

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Bauchschmerzen, Blähungen, Völlegefühl, Verstopfung oder Durchfall – daran leiden immer mehr Menschen. Das Dramatische daran: In den letzten zehn Jahren nehmen diese Beschwerden stark zu. Sind krankhafte Veränderungen im Darm oder sonstige Erkrankungen ausgeschlossen, spricht man vom Reizdarmsyndrom (abgekürzt: RDS), medizinisch „Colon
irritabile“.
Der Reizdarm, auch manchmal als „nervöser Darm“ bezeichnet, ist mittlerweile eine der häufigsten funktionellen Störungen des Magen-Darmtrakts, wobei die Stärke und Intensität sehr unterschiedlich sein können. 15 Prozent aller Österreicher sollen darunter leiden, Frauen zweimal so häufig wie Männer. Es ist – im Gegensatz zu chronisch entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa – nicht lebensbedrohlich. Da es keine organischen Ursachen gibt, vergeht leider bis zur Dia­gnose meist sehr viel Zeit und nicht selten werden Reizdarm-Betroffene als eingebildete Kranke angesehen.

Auf den Bauch hören. Bei der Ursache vermuten Ärzte und Wissenschaftler Störungen bestimmter Funktionen des Verdauungstraktes und Nervensystems, d. h. der Informationsaustausch zwischen Gehirn und Darm und umgekehrt funktioniert nicht reibungslos. Was immer noch viele nicht wissen: Die Steuerzentrale im Bauch, das sogenannte Bauchgehirn steht in reger Verbindung mit dem Gehirn bzw. dem zentralen Nervensystem. Ärzte sprechen von der Bauch-Hirn-Achse. Auf ihr laufen 90 Prozent der Kommunikation vom Darm in Richtung Gehirn und nur 10 Prozent vom Kopf zum Bauch. Es ist tatsächlich so, dass alles, was wir früher dem Kopfhirn zugeordnet haben wie unsere Gedächtnisleistung oder unsere emotionale Stabilität, nicht über den Kopf, sondern über das Darm- bzw. Bauchhirn geht.
Experten vermuten, dass bei Reizdarm-Betroffenen das Bauchhirn überaktiv ist. Was vielen Patienten nicht bewusst ist – die Psyche spielt dabei meist eine große Rolle.Das erklärt auch, warum psychische Belastung wie Stress die Beschwerden verschlimmert. Die Nerven reagieren in dem Fall besonders empfindlich auf ganz normale Reize. Viele haben schon mal die Erfahrung gemacht, dass Stress bei ihnen „auf den Magen“ schlägt. Wenn negativer Stress, so genannter Dysstress, andauert, so wirkt sich die Belastung auch auf das Nervensystem enorm aus, sorgt für permanente Entzündungen in unserem Körper und lässt Darmbakterien absterben.

Hypnose als Therapie. Die Therapie beschränkt sich häufig auf die Behandlung der Symptome mit Medikamenten. Die in Australien entwickelte FODMAP-Diät, bei der im Ausschlussverfahren schwer  verdauliche Kohlenhydratverbindungen in der Nahrung ausfindig gemacht und dann in der Ernährung weggelassen werden, wirkt sich außerdem positiv auf das Reizdarmsyndrom aus.
Eine Möglichkeit, die sehr große, langfristige Erfolge aufweist, ist die medizinische Bauchhypnose. Univ.-Prof. Dr. Gabriele Moser, Internistin und Leiterin der Spezialambulanz für gastroenterologische Psychosomatik an der Universitätsklinik für Innere Medizin in Wien hat gemeinsam mit ihrem Team in einer groß angelegten Studie gezeigt, dass diese Entspannungstechnik bei etwa 50 bis 70 Prozent aller Patienten langfristig hilft. Das Tolle daran: Die Methode ist völlig ungefährlich und ohne Nebenwirkungen. Außerdem kann man sie nach einer Anleitung zu Hause trainieren.

Bauchhypnose Im Allgemeinen Krankenhaus Wien können Reizdarm-Betroffene eine Entspannungstechnik erlernen. Die sogenannte Bauchhypnose ist eine sehr effiziente Methode zur Linderung der Symptome. Das konnte eine Studie der Abteilung für Innere Medizin des AKH Wien zeigen. In zehn Sitzungen lernen die Patienten die Reize aus dem Körperinneren anders wahrzunehmen und gewinnen das Gefühl, ihre Magen-Darm-Funktionen besser kontrollieren zu können. Prof. Dr. Gabriele Moser, Leiterin der Spezialambulanz für gastroenterologische Psychosomatik an der Universitätsklinik für Innere Medizin in Wien hat eine besondere Form der bauchgerichteten Hypnose entwickelt, die den Magen beruhigt und gegen Reizdarm eingesetzt werden kann. Dabei wird die Hand auf den Bauch gelegt und die Betroffenen stellen sich vor, dass ihr Verdauungstrakt ruhig, rhythmisch und gesund arbeitet. Die Bauchhypnose sollte innerhalb von drei Monaten – einmal pro Woche – unter ärztlicher Anleitung erlernt und dann mit Hilfe einer CD vom Patienten zu Hause fortgesetzt werden.

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