Wohnbedürfnisse
Wohnen im Alter
Fokus Generationenwohnen Bis 2019 werden allein in Wien rund 1.300 geförderte Wohnungen unter dem Schwerpunkt „Generationenwohnen“ fertiggestellt. Das Ziel: auf die jeweiligen persönlichen Wohnbedürfnisse und -vorstellungen der älteren Generation einzugehen, um es den Menschen zu erleichtern, auch in einem höheren Lebensalter selbstbestimmt in der eigenen Wohnung zu leben.
Das bestätigt auch die Studie „Miteinander leben: Integration alternsgerechter Wohnformen im geförderten Wohnungsbau in Wien “ von Architektin DI Dr. Christiane Feuerstein. Ein Fazit ihrer Studie: Alternsgerechte, gemeinschaftlich orientierte Wohnformen, die kleinräumig in neue oder bestehende Wohnhausanlagen und in die bestehende Stadtstruktur als „inserts“ integriert werden, können die Kommunikation und das Miteinander anregen.
Generationenübergreifende Gemeinschaftlichkeit und ein partnerschaftliches Zusammenleben von Jung und Alt ist also die neue Realität und „es wird künftig wichtig werden, die Umstände des Wohnens so zu organisieren, dass gruppen- und auch generationsübergreifende Interaktionen und Aktivitäten möglich sind, meint der Soziologe Univ-Prof. Dr. Christoph Reinprecht (s. Interview). Auch immer mehr Privatorganisationen ergreifen daher die Initiative. Schon länger machen das etwa die Sargfabrik, das Projekt Grundsteingasse 32 in Ottakring oder die Wohnungspartner-Vermittlung WEG! (s. auch „Innovative Initiativen“).
„Nicht von obenverordnet“
CHRISTOPH REINPRECHT
im Interview über gemeinsames Wohnen, das klassische Altersheim und fehlende finanzielle Ressourcen.
Welche speziellen neuen Wohnbedürfnisse haben ältere Menschen heute und wie lassen sich diese Bedürfnisse in neue Wohnmodelle umsetzen?
Wir gehen davon aus, dass in Bezug auf die Wohnbedürfnisse drei grundlegende Faktoren ausschlaggebend sind, bzw. sein werden: Erstens werden die Wohnbedürfnisse immer uneinheitlicher werden – je nachdem wie ältere Menschen bisher gelebt habe, welcher (nationalen) Herkunft sie sind, auch ihre Milieu-Zugehörigkeit wird ausschlaggebend sein. Es ist anzunehmen, dass nicht alle Bevölkerungsgruppen von diesem Umstand gleichermaßen Nutzen ziehen können. Wir nennen das den „Effekt zunehmender sozialer Ungleichheit“. Zweitens deutet alles darauf hin, dass der Wunsch, möglichst lange in den eigenen vier Wänden zu verbleiben, vorherrschend wird. Diese Vorstellung hat stark normativen Charakter: Wohnen wird als Ort der Privatheit idealisiert. Drittens
ist die Art des Wohnens im Alter in hohem Maße durch die Wohnbiografie mitbestimmt. Da Österreich diesbezüglich ein eher konservatives und wenig experimentierfreudiges Land ist, ist zu befürchten, dass es innovative Lösungen, die nicht von oben kommen, sondern „bottom up“ entwickelt werden, schwer haben werden, sich durchzusetzen.
Welche Vorzeigemodelle gibt es in Österreich und international?
Es gibt einige interessante Modelle. Allerdings bin ich kein Verfechter von „best practices“, vielmehr denke ich generell, dass es darum gehen sollte, die Wahl- und Mobilitätsmöglichkeiten zu erhöhen, die heute durch die strukturellen und institutionellen Barrieren am Wohnungsmarkt extrem eingeschränkt sind. Sargfabrik und LiSA („Leben in der Seestadt Aspern“, Anm.) sind interessante Beispiele in Wien, international laufen viele Projekte unter dem Stichwort „Co-Housing“.
Die Stadt Wien investiert derzeit in Projekte zum Thema „generationen: wohnen“. Was sind die Vorteile, gibt es auch Nachteile?
An sich ein guter Ansatz. Etwas zugespitzt könnte man sagen, dass es sich um ein Zurück zur Praxis des Wohnens in der Gründerzeit handelt. Dieses war immer mehrgenerationell, erst im funktionalistischem Wohnbau (Großwohnhausanlagen) änderte sich dies. Der Hinweis meint, dass es künftig wichtig werden wird, die Umstände des Wohnens so zu organisieren, dass gruppen- und auch generationsübergreifende Interaktionen und Aktivitäten möglich sind. Gleichwohl der gewisse Vorbehalt, dass generationenübergreifende Gemeinschaftlichkeit nicht von oben verordnet werden kann: Wohnbedürfnisse variieren ja stark nach Lebensphasen.
Wird das klassische Altersheim der Vergangenheit angehören?
Ja, dieses wird aus genannten Gründen der Vergangenheit angehören.
Zum einen wird das Eintrittsalter weiter steigen, das heißt das Altersheim wird zu einem Pflegeheim bzw. zu einem Altersheim mit integrierter Pflegestation.
Zum anderen wird auch hier soziale Ungleichheit virulent, also ist anzunehmen, dass es für manche bei fehlenden finanziellen und sozialen (Pflege-) Ressourcen keine Alternative gibt, als ins „Altersheim“ zu gehen.