Männergesundheit

MännerMänner werden schneller krank und leiden als Kinder doppelt so häufig an Kinderkrank-heiten. Männer sterben im Schnitt fünf Jahre früher als Frauen. Zwischen 30 und 50 Jahren erleiden Männer sechsmal häufiger einen Herzinfarkt. Es gibt mehr männliche Fehlgeburten. Männer haben häufiger genetische Defekte. Auf zwei krebskranke Frauen kommen drei krebskranke Männer. Herr Professor Meryn:

Ist das Mann-Sein an sich bereits ein Gesundheitsrisiko?

Dr. Siegfried Meryn: Absolut! Es gab in Amerika vor Kurzem einige Bestseller mit Titeln wie „Das sterbende Geschlecht“, „Braucht man Männer?“ und „Das schwache Y-Chromosom“. Alle haben ein gemeinsames Thema: genetisch gesehen gibt es beim Menschen 23 Chromosomenpaare, von denen 22 XX sind, also weiblich. Und nur das 23. Paar hat bei Männern ein X- und ein Y-Chromosom. Wenn man die Chromosomen in der Größe vergleicht, sieht man, dass das Y-Chromosom das kleinste und daher sehr fragil ist. Nicht sehr wissenschaftlich übersetzt, kann man festhalten: für ein nicht komplett funktionierendes X-Chromosom der Frau gibt es ein zweites Zwillingschromosom, das genetisch Ersatz bietet. Für ein nicht ganz gesundes Y-Chromosom gibt es keinen Ersatz. Man kann das auch noch vertiefen: während einer Schwangerschaft sterben mehr männliche als weibliche Föten, Mütter mit männlichen Föten haben häufiger Komplikationen während der Schwangerschaft und die Sterblichkeitsrate in den ersten Tagen nach der Geburt ist bei männlichen Babys höher. Es gab nach 9/11 Untersuchungen, die zeigten, dass der Anstieg der Sterblichkeit von männlichen Föten während der Schwangerschaft und nach der Geburt überproportional gestiegen ist, weil der Stress der Mütter den männlichen Nachwuchs mehr beeinflusst hat als den weiblichen. Offensichtlich ist die genetische Anlage der Männer, über die Evolution hinweg gesehen, einfach etwas fragiler, sensibler und schwächer …

Wie sieht es mit der Gesundheit bei erwachsenen Männern in Österreich aus?
Die Lebenserwartung steigt stetig. Um 1900 war die Lebenserwartung in Österreich für Männer 40 Jahre. Dafür sind sie im Schnitt nur ein Jahr früher als Frauen gestorben. In Russland sind es zum Vergleich momentan neun Jahre, die Frauen länger leben; vor der Perestroika waren es fünf! Ich spreche nun mit Schopenhauer: „Das Schicksal mischt die Karten (also die Gene), und wir spielen“. Das bedeutet, das eine Jahr werden Frauen immer biologisch-genetisch voraus sein. Die anderen vier Jahre haben mit soziokulturellem Lebensstil zu tun. Wenn wir nun also von Vorsorge sprechen, bedeutet das, dass die Gesellschaft dazu beitragen kann, die Differenz der Lebenserwartung zwischen den beiden Geschlechtern auf ein Jahr zu reduzieren.

Was müssen Männer machen, um diese Jahre auf­zuholen, also länger gesund zu leben?
Wir brauchen einen gesellschaftlichen Wandel des Rollenbildes. Männer denken immer noch, dass sie das starke, unverletzbare Geschlecht sind, das keine Zeit hat, sich um Gesundheit
zu kümmern. Zuallererst braucht es also eine Veränderung in Richtung Selbstverantwortung. Denn die eigene Gesundheit kann nicht der Frau, Mutter oder Tochter übertragen werden. Männer benutzen ihren Körper oft wie eine Maschine. Doch das ist er nicht, er ist kein Computerprogramm – mein Körper ist vielmehr mein Kapital! Es gibt spannende Vorsorge-Kampagnen in England und Australien, die sich alle an das Thema Motorsport anlehnen. Denn dort sind Männer abzuholen. Auf den Sujets wurde gefragt: „Dein Auto oder Motorrad bringst du ein Mal im Jahr zum Service – und du selbst gehst nicht?“ Wenn Sie mich nun also fragen, was Männer tun können: Nehmt euch ein Beispiel an Frauen, geht regelmäßig zu Vorsorgeuntersuchungen!

Frauen sind auch die Gesundheitsmanager in der Familie ....
Ganz recht! Es ist ja auch so, dass die meisten Mädchen mit Eintritt in die Pubertät erstmals mit ihrer Mutter zum Frauenarzt gehen und dort lernen, dass sie zwei Mal jährlich zur Vorsorgeuntersuchung kommen sollen. Bei den meisten jungen Männern findet die erste Untersuchung mit frühestens 18 Jahren bei der Stellung zum Bundesheer statt. Ich kann noch ein Beispiel bringen: Es gibt eine Krebsart, die beide Geschlechter betrifft, an der aber deutlich mehr Frauen erkranken als Männer. Nämlich an einem Melanom. Interessanterweise sterben aber mehr Männer an dieser Krankheit, weil sich Frauen Veränderungen an ihrem Körper gleich anschauen lassen. Männer nicht. Wir könnten so vielen Männern den Tod am Melanom ersparen. Dasselbe Phänomen gibt es bei Dickdarmkrebs. Wenn Frauen Blut am Stuhl bemerken, suchen sie sofort ihren Arzt auf. Männer denken: Ach das sind ja „nur“ Hämorrhoiden …

Schlimm genug!
Aber Hämorrhoiden sind nicht gefährlich. Also warten sie, bis der Tumor so groß ist, dass die Prognose dieser Männer wesentlich schlechter ausfällt als bei Frauen. Ich kann mir denken, dass viele Männer Angst vor einer schmerzhaften Vorsorgeuntersuchung haben. Eine sanfte Koloskopie tut nicht weh. Und ganz ehrlich: es gibt auch keine Frau, die ihrer gynäkologischen Untersuchung entgegenfiebert. Und sie gehen trotzdem. Aber auch wenn es etwas unangenehm sein sollte: allemal besser als Krebs!

Welche Vorsorgeuntersuchungen sollte ich als Mann denn grundsätzlich in meinem Jahreskalender einplanen?
Das ist altersabhängig. Generell würde ich hervorheben, dass die Österreicher gewisse Errungenschaften dieses Landes einfach nicht zu schätzen wissen, beispielsweise die Vorsorgeuntersuchung. Hier ist wiederum Information wichtig, auch darüber, dass so etwas in anderen Ländern keinesfalls selbstverständlich ist. Und nicht jede Krankheit schickt mir ein Warnsignal in Form von Schmerz aus, hoher Blutdruck etwa wird meist gar nicht wahrgenommen. Ab 18 Jahren sollte deshalb jeder Österreicher zumindest alle zwei Jahre zur Gesun­den­unter­suchung. Die Intensität des weiteren Vorsorge-Programms ist dann individuell und lässt sich am besten mit einem Arzt nach dem eigenen Risikoprofil, etwa familiäre Vorbelastung, ausarbeiten.

Wie lässt sich beispielsweise eine eher seltene Erkrankung wie Bauchspeicheldrüsenkrebs erkennen?
Gemeines Beispiel. Manche Krebserkrankungen lassen sich nur bedingt früherkennen, was sich sicher in den kommenden zehn Jahren durch den wissenschaftlichen Fortschritt, etwa die Entwicklung von genetischen Risiko-Profilen, verändern wird. Bis dahin kann man nur radiologische Untersuchungen – also Ultraschall, CT oder MRI – des bestimmten Organs machen lassen. Eindeutige Marker, die den Riskozustand präzise definieren, gibt es in diesem Fall noch nicht. Wenn wir aber das Beispiel des Melanoms nehmen, kann ich sehr wohl regelmäßig zum Hautarzt gehen, mir auffällige Muttermale entfernen lassen und starke Sonneneinstrahlung meiden. Oder anders gesagt: Ich kann im Auto nur den Sicherheitsgurt anlegen – wenn mir dann auf der Autobahn ein Geisterfahrer entgegenkommt, ist der Gurt nur einen Chancenerhöhung, aber bedeutet nicht, dass ich überlebe. Ich kann nur in
bestimmten Bereichen vorsorgen und aktiv sein. Aber die sind es wert! Den Sicherheitsgurt anzulegen und zur Vorsorgeuntersuchung zu gehen – das ist allemal besser, als nichts zu tun.

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Prof. Dr. Siegfried Meryn ist Facharzt und Professor für Innere Medizin an der Medizinischen Universität Wien. Neben der Allgemeinen Inneren Medizin zählen Vorsorgemedizin, Endoskopie sowie Männergesundheit zu seinen Schwerpunkten. Zudem ist er Initiator von „Nein zu Arm und Krank“, eine Aktion, die es sich zum Ziel gesetzt hat, mit einem Soforthilfefonds armen und kranken Menschen, die unverschuldet in Not geraten sind, schnell und unbürokratisch zu helfen. Infos: www.meryn.at www.neinzuarmundkrank.at

 

 

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