Darm

Verschlungene Welten

Mit der Darmspiegelung kann Krebs tatsächlich verhindert werden. Ab dem 50. Lebens­jahr sollte diese auch als Koloskopie bezeichnete Untersuchung durchgeführt werden. Neueste Technik und Dämmerschlaf sorgen dabei für einen schmerzfreien Verlauf. Text: Sabine Fisch

Darm

Schreckgespenst Darmkrebs! Dabei ließen sich ganze 90 Prozent (!) aller Erkrankungen österreichweit verhindern. Wie, das erklärt Dr. Friedrich Anton Weiser, Facharzt für Magen- und Darmchirurgie.

 

 

Die Koloskopie ist eine Vorsorgeuntersuchung – im Gegensatz etwa zur Mammografie, die eine Früherkennungsuntersuchung darstellt – erklären Sie uns bitte den Unterschied?
Dr. Weiser: Darmkrebs entwickelt sich extrem langsam. Zuerst entstehen gutartige Darmpolypen, die sich im Laufe von etwa zehn Jahren in ein Karzinom verwandeln können. Diese Polypen können wir mit der Koloskopie finden – und in den meisten Fällen gleich entfernen. Das bedeutet Darmkrebs ist die einzige Tumorart, die – mittels Koloskopie – tatsächlich verhindert werden kann. In Österreich erkranken jährlich ungefähr 5.000 Menschen an Darmkrebs. Wir könnten 90 Prozent dieser Erkrankungen verhindern, wenn alle Menschen zumindest ab dem 50. Lebensjahr einmal eine Koloskopie durchführen ließen. Die Darmspiegelung bedeutet auf jeden Fall „echte“ Vorsorge. Bei der Mammografie wird versucht, einen bösartigen Tumor der Brust so früh wie möglich zu finden. Je kleiner der Tumor bei seiner Entdeckung ist, desto größer die Chance auf eine vollständige Entfernung und damit Heilung der Patientin – das ist Früherkennung.

Wie sorgt man richtig gegen Darmkrebs vor?
Ab dem 50. Lebensjahr bezahlt die Krankenkasse eine Vorsorgekoloskopie, die alle zehn Jahre wiederholt werden soll. Dies gilt für Patienten, in deren Familie bis dato kein Darmkrebs aufgetreten ist. Wenn es familiäre Fälle von Darmkrebs gegeben hat, sind frühere Erstuntersuchung und kürzere Intervalle für die Koloskopie nötig.

Die Gesundenuntersuchung, die in Österreich einmal jährlich von den Krankenkassen bezahlt wird, enthält auch einen Test auf okkultes Blut – was ist das? Und macht das Sinn?
Der Test ist sinnvoll, allerdings bedeutet ein negatives Ergebnis nicht zwingend, dass keine Polypen im Darm sind. Bei diesem Test wird der Stuhl des Patienten auf nicht sichtbares Blut untersucht. Wenn Polypen vorhanden sind und diese gerade bluten, wird der Patient weiter zur Koloskopie verwiesen. Aber wirklich verlassen kann man sich nicht auf ein negatives Testergebnis. Wer es genau wissen will, muss zur Darmspiegelung.

Darmkrebs hat auch eine erbliche Komponente – kann man das testen?
Ja. Fünf bis zehn Prozent aller Darmkrebserkrankungen sind erblich. Seit einiger Zeit sind zwei Tests auf dem Markt, die spezifisch auf ein Tumorenzym untersuchen. Diese Tests sind speziell
für Patienten geeignet, in deren Familien bereits Fälle von Darmkrebs aufgetreten sind. Viele nützliche Informationen zu diesen Tests finden sich auf www.darmkrebstest.de

Wie bereitet man sich auf eine Koloskopie vor?
Früher musste man am Vortag vier Liter einer speziellen Flüssigkeit zu sich nehmen, die zu einer ausgiebigen Darmreinigung führte. Das hat viele – vor allem ältere – Patienten sehr belastet. Mittlerweile ist ein neueres Laxativum auf dem Markt, das ein angenehmeres Vorgehen ermöglicht. Dabei muss ein Liter der abführenden Flüssigkeit getrunken werden, gefolgt von einem halben Liter Wasser. Nach einer Wartezeit von sechs Stunden muss die Prozedur wiederholt werden. Dieses neue und besser verträgliche Präparat wird von der Krankenkasse bezahlt. Am nächsten Morgen kommt der Patient in die Arztpraxis und erhält dort ein Beruhigungsmittel. Dieses Beruhigungsmittel bewirkt eine leichte Sedierung. Die Untersuchung wird dann zwar miterlebt, aber wie aus weiter Ferne und vor allem völlig schmerzlos.

Warum ist die Angst vor der Darmspiegelung nach wie vor so groß?
Noch vor gar nicht allzu langer Zeit konnten wir die Patienten nicht sedieren, weil die Bilder, die das Endoskop lieferte, nicht an einen externen Bildschirm übertragen werden konnten. Die Krankenschwester, die das Endoskop in den Darm bewegte, war daher auf Schmerzäußerungen der Patienten angewiesen, um festzustellen, ob der Schlauch an der Darmwand ansteht. Mittlerweile verwenden wir hochauflösende Endoskope, deren Bilder auf ebenso hochauflösende Bildschirme übertragen werden. Die Krankenschwester kann daher mitschauen und muss nicht mehr warten, bis der Untersuchte vor Schmerz aufschreit. Nicht jeder weiß aber über die neue schmerzfreie Koloskopie Bescheid, daher müssen wir immer noch intensiv aufklären, damit mehr Menschen diese wichtige Vorsorge­untersuchung durchführen lassen.

Was geschieht bei einer Darmspiegelung?
Zuerst wird im Darm mit Hilfe von CO2-Gas oder Luft das Lumen, also der innere Hohlraum des Darms geweitet. Früher hat man dies ausschließlich mit Luft gemacht, was aber bei vielen Patienten nach der Untersuchung zu Unannehmlichkeiten und heftigen Blähungen geführt hat. CO2 hat den Vorteil, dass es nach der Koloskopie 150-mal schneller ausgeschieden und teilweise auch über die Lunge abgeatmet wird als Luft, was diese Beschwerden deutlich verringert. Nach der Weitung des Darms wird zunächst der After angeschaut und mit dem Finger untersucht. Bei Männern wird weiters die Prostata getastet, bei Frauen wird festgestellt, ob eine Rektozele vorliegt, das ist eine Vorwölbung des Darms Richtung Scheide, die zu einer inkompletten Stuhlentleerung führen kann. Sodann wird das Endoskop in den Enddarm eingeführt und der gesamte Dickdarm bis zum Coecum, dem Übergang zum Dünndarm, mit dem flexiblen Schlauch, an dessen Ende sich eine Optik befindet, untersucht. Danach wird der Schlauch zurückgezogen. Das geschieht sehr langsam, denn auf diesem Wege werden vorhandene Polypen entdeckt. Werden Polypen gefunden, können sie in über 90 Prozent der Fälle sofort abgetragen werden, was der Patient nicht spürt. Nach der etwa halbstündigen Untersuchung kommt der Patient in den Aufwachraum, um sich zu erholen. Danach erhält er den Befund.

Wichtig: Nach einer sanften Koloskopie darf der Patient nur mit Begleitung nach Hause gehen, weil das Betäubungsmittel noch etwas nachwirken kann. Wurden Polypen gefunden, so werden diese in der Pathologie genau untersucht, um festzustellen, ob bereits bösartige Veränderungen vorliegen. Wurden keine Polypen gefunden, kann zehn Jahre bis zur nächsten Untersuchung gewartet werden.

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Dr. Friedrich Anton Weiser ist Facharzt für Chirurgie und Viszeralchirurgie (Bauchchirurgie) in Wien. In seiner Praxis stellt die sanfte endoskopische Untersuchung des Dickdarms den Schwerpunkt dar. Infos: www.dr-weiser.at

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